Dienstag, 1. Oktober 2013

Sachen gibt´s ...

... die wundern machen. 

Aus der Rubrik: Was lest Ihr eigentlich gerade ...?

Vor paar Tagen in der Regio-Bahn RB 20 auf dem Weg von Alsdorf-Annapark nach Stolberg-Altstadt, so gegen Mittag.

Der Zug ist angenehm leer und sauber. Die Psycho-Kids sitzen noch in der Schule und tun wohl so, als würden sie an ihrer Bildung feilen.

Das verspricht eine entspannte Fahrt zu werden.

Am Bahnhof Herzogenrath steigen nur wenige Leute zu.

Darunter ein älteres Pärchen.

Sie vom Typ Alt-68´ger-spät-Hippie-Schlunzin mit Klamotten aus dem Sozial-Kaufhaus und verschlissener Strickmütze über den kaum zu bändigen Haares-Gewell. Die Falten in ihrem Gesicht lassen auf eine gewisse gutmütige Grundhaltung schließen.

Er mit dicker Cord-Hose sowie Baumfällerhemd und Lederweste gekleidet. Einer dem man ansieht, daß frühere Drogen-Experimente, dienlich dem Zwecke der Bewusstseins-Erweiterung, nicht das erhoffte Ergebnis gebracht haben. Auf den wirr-weißen Resten seiner Kopf-Behaarung eine speckige Cord-Kappe.

Man sieht den Beiden an, daß ihnen die freakigen Flausen der vergangen Jahrzehnte im Kopf nicht gerade den Lebensabend zu vergolden versprechen, nichtsdestotrotz sie von einem fast schon spürbaren tiefen Gleichmut geprägt zu sein scheinen.

Sie setzen sich links vom Gang neben mich auf die Fenstersitze und schauen sich gegenüber sitzend wortlos an.

Als der Zug abfährt, öffnen beide ihre kleinen Tages-Rucksäcke und holen zwei Flaschen Oettinger-Pils hervor.

Aha ...! Das war ja klar ...!

Sie öffnet *...plöp-zotsch...* ihre Flasche und *...klünkel-kuller...* der Kronkorken fällt runter und rollt in meine Richtung.

Er öffnet *...plöp-zotsch...* seine Flasche, steht auf, kommt zu mir, klaubt umständlich den heruntergefallenen Kronkorken vom Boden vor meinen Füßen, geht drei/vier Schritte zu dem hörbar leeren Mülleimer und wirft *...klönkel-klapper...* beide hinein.

Aha ...! Immerhin ...!

Beide kippen sich einige geübt-tiefe Hiebe Pils in den Hals und schauen sich dabei weiterhin schweigend an.

Wieder greifen sie in ihre kleinen Rucksäcke.

Hervor kommen diesmal zwei Stullendosen aus Blech, die ausschauen, als hätten ihre Väter die schon vor Stalingrad mit den Zähnen und Gewehrkolben bearbeitet, weil nix drin gewesen war.

Doch anno 2013 sehe ich in Butterbrot-Papier gewickelte und wohlfeil belegte Schnittchen sowie jeweils einen halben Apfel darinnen. 

Sie essen ...! Schweigend. Klar ...

Miteinander quatschen scheint nicht ihr Ding zu sein.

Ab und zu rollen die Kehlköpfe beim fließen des Gerstensaftes.

Sie sind fertig mit ihrem Mahl.

Sie steht auf und zerknüllt *...knüddel-knüddel...* das Butterbrot-Papier, in welches sie zuvor die Reste der beiden Apfel-Griebsche-Hälften eingelegt hat, geht die drei/vier Schritte zum Mülleimer und wirft dort alles *...raschel-raschel...* hinein.

Aha ...! Na also ...! Geht doch ...!

Mit ihrer Strickmütze feudelt sie die Krümel von den Sitzen und setzt sich wieder.

Aha ...! Langsam bin ich durchaus angenehm beeindruckt ...

Noch immer schweigend, wischen sie sich mit Taschentüchern die Münder und Hände sauber.

Sie schauen sich an ......! Schweigend .......! Die müssen sich schon länger kennen ......!

Ich schätze mal, so seit den Oster-Krawallen 1968 nach dem Attentat auf Rudi Dutschke. Was soll man sich seither auch noch viel zu sagen haben ...???????

Der Spruch "Wer zweimal mit der Selben pennt, gehört schon zum Etablissement", scheint den Beiden nie zu Ohren gekommen zu sein.

Kurz hinter Stolberg-Hauptbahnhof klemmen sie sich den zweiten Satz Oettinger-Pullen zwischen die Oberschenkel, greifen in ihre Rucksäcke und holen sich jeder ein Buch hervor.

Jawoll ...! Bücher! Büüüüücherrr ...!!!

Das sind diese seiten-raschelnden, papiernen Dinger, in denen man Buchstaben, Wörter und Sätze lesen kann, ohne, daß es daraus piepst oder klingelt. (Wooouw....! Bemerkt? Geniale Kommata ...!)

Aha ...! Ich glaub, es geht´s los ... *...staun-wunder...* ....

Er blättert sich mit knöchrigen Fingern zum Lesezeichen in José Saramagos Buch ´Hoffnung im Alentejo´ hindurch.

Scheint die deutsche Erstausgabe von 1985 zu sein. Das ist schon durch die Hände so einiger Genossen gegangen ...

Sie liest in dem Buch ´Der Tag der Wunder´ von  Lídia Jorge.

Aha ...! Faszinierend ...!

Ich hätte ja echt ein paar interessierte Fragen an die Zwei gehabt.

Aber quatschen scheint nicht so wirklich ihr Ding zu sein ...

Tschüss, Ihr Beiden! Gute Reise und alles Gute Euch ...! 

Soviel muss sein ...!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen